Genese und historischer Wandel der Neutralität Österreichs

Autor/innen

  • Wolfgang Müller Institut für Osteuropäische Geschichte, Universität Wien

DOI:

https://doi.org/10.15203/4166.vol53.2024

Abstract

In den fast 70 Jahren ihrer Existenz unterlag die Interpretation der Neutralität Österreichs stetigem Wandel. Ausgehend von aktuellen Umfragen, untersucht der vorliegende Beitrag die Wurzeln der österreichischen Neutralität und wesentlichen Entwicklungsphasen ihrer Interpretation im internationalen Kontext der Ost-West-Beziehungen. Besondere Aufmerksamkeit erhält die Rolle der Sowjetunion als Inkubator der österreichischen Neutralitätserklärung und prägender Faktor für deren Interpretation. Neben innerösterreichischen Tendenzen, die auf den Untergang der Habsburgermonarchie zurückgehen und infolge der Ost-West-Besetzung Österreichs nach 1945 neue Nahrung fanden, stellte die sowjetische Forderung nach einer Neutralitätserklärung als Preis für die Zustimmung zum Abzug aus Österreich 1955 die wichtigste Wurzel für diese dar. Anfangs als reiner Bündnis- und Stützpunktverzicht konzipiert, unterlag die Neutralitätsinterpretation in den Jahrzehnten des Kalten Krieges unter dem Eindruck intensiver sowjetischer Kommunikation und österreichischer Legitimierungsbestrebungen einer kontinuierlichen Ausweitung des Verständnisses der Pflichten bzw. Aufgaben permanent neutraler Staaten in Friedenszeiten. Das Ende des Kalten Krieges leitete eine Gegenbewegung ein. Inzwischen ist die Einschätzung zwischen Expert/innen, welche die Neutralität als überlebtes Sicherheitshindernis betrachten, und der breiten Bevölkerungsmehrheit, die den genannten Status als schützenswert betrachtet, gespalten. Dass die Neutralität fortbesteht, ist sohin mit ihrer enormen Popularität in der Bevölkerung und Unterstützung durch Gruppen auf beiden Seiten des politischen Spektrums zu erklären.

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Veröffentlicht

2024-04-22